Wachstumsverhalten von humanen Leukämiezellen

Ausgabe Nr. 1 November 1995
Wachstumsverhalten von humanen Leukämiezellen
Von R. Fitzner, E. Langer, E. Zemann

Seit einiger Zeit wird die Frage diskutiert, ob elektromagnetische Felder krebsauslösend bzw. -fördernd seien. Die Kanzerogenität der Agentien stellt sich einerseits als tumorinitiierende, andererseits als tumorpromovierende Wirkung dar. Die Tumorinitiation beinhaltet die Transformation von normalen Zellen in bösartige Tumorzellen, d.h. die Umwandlung der Erbinformation der Zelle, während die Tumorpromotion Verstärkungseffekte an solchen umgewandelten Zellen beschreibt, die die Ausbreitungstendenz und den Malignitätsgrad eines Tumors und damit sein Aggressionspotential kennzeichnen.

Durch zahlreiche In-vitro-Untersuchungen an bereits transformierten Turmorzellen tierischer und menschlicher Herkunft konnten wir nachweisen, daß eine 50 Hz-Magnetfeldexposition keine zusätzliche Promotion dieser Zellen bewirkt.

Diese Studie behandelt die Ergebnisse von In-vitro-Untersuchungen an Suspensionskulturen von humanen Leukämiezellen (Promyelozyten), die hochfrequenten elektromagnetischen Feldern von 1,8 GHz mit 217 Hz gepulst und 900 MHz, ebenfalls mit 217 Hz gepulst, ausgesetzt wurden. Es stellt sich die Frage, ob eine zusätzliche Promotion des Wachstumsverhaltens von bereits transformierten menschlichen Tumorzellen und damit eine Kanzerogenität nachzuweisen ist.

Dabei werden als kritische Indikatoren der Wachstumsgeschwindigkeit der Leukämiezellen die Verdoppelungszeit sowie die Synthese und Freisetzung des Enzyms Thymidinkinase (TK) bestimmt. Die im elektromagnetischen Feld exponierten Zellen werden mit identischen Kontrollen ohne Hochfrequenzexposition verglichen. Ein nachweisbarer Effekt müßte zu einer vielfachen Steigerung der Zellteilungsgeschwindigkeit sowie Bildung und Freisetzung der Thymidinkinase in der Suspensionskultur führen.

Biochemisch ist die Thymidinkinase ein intrazelluläres Enzym, welches die Phosphorylierung von Thymidin in Thymidinmonophosphat katalysiert. Das aus dem Thymidinmonophosphat entstehende Thymidintriphosphat wird in den Zellen zur DNS-Synthese verwendet. In hochdifferenzierten Geweben mit abgeschlossener Zellproliferation (z.B. Nierenparenchym, Nervengewebe) ist die Aktivität der Thymidinkinase nur gering.

Bei gesunden Erwachsenen ist die extrazelluläre Serumaktivität gering. Bei Patienten mit proliferierenden Malignomen (z.B. myeloische oder lymphoblastische Leukämien, aber auch solide Tumore wie kleinzellige Bronchialkarzinome, Mammakarzinome und Hirntumore) ist die Serumaktivität deutlich erhöht.

Die Versuchsanordnung besteht aus einer GTEM-Zelle (Modell 5302, Hersteller EMCO, USA), einem Signalgenerator (Typ SMT 03, Rhode und Schwarz, Deutschland) und Bandverstärkern für den Frequenzbereich von 900 MHz und 1,8 GHz. Ein Thermostat hält eine konstante Temperatur von 37 Grad Celsius plus/minus 0,1 Grad Celsius aufrecht. Die Proben werden dem Hochfrequenzfeld 8 und 24 Stunden lang ausgesetzt. Für die In-vitro-Untersuchungen wurden menschliche Leukämiezellen des Stammes HL-60 benutzt. Die Zellen wurden in einem RPMI 1640 Medium gezüchtet. Zur Ermittlung der Thymidinkinase-Aktivität in den Zellkultur-Überständen wird ein Radio-Enzym-Assay verwendet.

Die im Hochfrequenzfeld (900 MHz und 1,8 GHz jeweils mit 217 Hz gepulst) exponierten, bereits transformierten humanen weißen Blutzellen (Leukämiezellen) zeigen im Vergleich zu den identischen Kontrollzellen ohne HF-Exposition keine vielfache Steigerung des Wachstums, da sich sowohl die Verdoppelungszeiten als auch die im Zellüberstand gemessenen Thymidinkinase-Aktivitäten nicht wesentlich voneinander unterscheiden.

Entsprechend der Untersuchungsergebnisse mit den Prüfparametern Verdoppelungszeit und Thymidinkinase-Aktivität kann eine zusätzliche Promotion humaner Leukämiezellen mit einer Exposition in hochfrequenten Feldern von 900 MHz und 1,8 GHz, mit 217 Hz gepulst, ausgeschlossen werden. Auf der Basis dieser Untersuchungen, bei denen elektromagnetische Felder, wie sie in digitalen Mobilfunknetzen auftreten, simuliert wurden, ist keine Kanzerogenität der elektromagnetischen Felder festzustellen.

Jan Schmitz